Impfen und Immunsystem oder Paul guckt nach Mercedessternen

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Impfen und Immunsystem oder Paul guckt nach Mercedessternen

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Veröffentlicht von Dirk Bornemann in Praxisnachrichten · 20 Dezember 2020
 
Impfen und Immunsystem oder
 
Paul guckt nach Mercedessternen
 
Sonntag, 20. Dezember 2020
 
 
Wir haben Dezember. Der Sommer und die ruhige Zeit in der, mit der und um die Corona-Krise ist vorbei, „die Zahlen“ finden sich auf einem Allzeithoch. Obwohl in der ganzen Zeit die Fragen um „das Virus“, die Unterhaltungen um die Erkrankung, die Einschränkungen, die Masken und wie gut wir es hier bei uns auf dem Land in Schleswig-Holstein haben, die tägliche Sprechstunde mitgestaltet haben, so hat sich jetzt ein neues Thema ganz in den Vordergrund geschoben: die Impfung.

 
 
In sehr vielen Gesprächen kommen Fragen, zeigen sich Unsicherheit, Sorgen und Hoffnung. „Ach, wissen Sie, man weiß ja viel zu wenig, eigentlich würde ich mich schon impfen lassen, aber ich will ja nicht der Erste sein; wir können ja mal gucken, wie das Ganze mit dem impfen läuft, das ist ja alles so schnell gegangen mit dem Impfstoff… wer weiß schon… … und die Spätschäden… …Allergien… …Genmanipulation… …Zeugungsfähigkeit…“.
 
 
Häufig läuft es auf drei Fragen hinaus:
 
„Sollte MAN sich impfen lassen?“
 
„Soll ICH mich impfen lassen?“
 
„Würden SIE sich denn impfen lassen?“

 
 
Diese und andere Fragen werde ich dokumentieren und Antworten geben – so gut ich es kann und vielleicht mit Beispielen, wie ich sie auch in der Praxis verwende. Beispiele machen vieles so viel besser verständlich, dass ich häufig versuche, Sachverhalte an Beispielen zu erklären. Dazu versuche ich eine kurze Antwort auf die Frage zu geben. Wem das nicht genug ist, der kann bei den Langantworten weiterlesen. Aber Vorsicht, dann wird es lang…
 
Los geht’s!

 
 
Wie funktioniert überhaupt eine Impfung?
 
Kurz-Antwort: Unserem Körper und damit besonders unserem Immunsystem werden auf möglichst ungefährliche Art und Weise am besten nur Teile eines Krankheitserregers dargeboten, damit sich das Immunsystem schon einmal damit vertraut machen kann, was da irgendwann mal kommen kann, um dann schneller entsprechende Maßnahmen ergreifen zu können. Das müssen natürlich Teile des Krankheitserregers sein, die das Immunsystem auch erkennen kann.
 
 
Langantwort und Beispiel:  Unser Immunsystem muss sich kontinuierlich mit den unterschiedlichsten Antigenen auseinandersetzen. Das können Krankheitserreger sein, körperfremde Eiweißstoffe, eigentlich alles, was dem Immunsystem zugänglich ist und das ist alles, was nicht in Körperzellen geschützt im Körper vorliegt. Das ist so, als wenn auf einer großen Straße viele Autos fahren. Und wir stellen auf einen Fußweg in Wolfsburg kleine Jungs, wie Emil, Timo, Philipp und Paul (natürlich könnten das auch Mädchen sein). Aber alle sind viel zu klein, um die vielen, verschiedenen Automarken und -modelle erkennen zu können. Aber aus Erfahrung erkennen sie die Autos ihrer Heimat: Volkswagen, Audi, Škoda, SEAT, also die Marken, die VW-Mitarbeiter günstiger erwerben können. Immer, wenn sie ein anderes Auto sehen, sollen sie einen Alarmknopf drücken. Und dann guckt die Polizei, ob die Autos in Ordnung sind, sich richtig verhalten oder nicht. Wenn nicht, dann werden die Autos aus dem Verkehr gezogen. Diese Abläufe entsprechen in etwa denen in unserem Immunsystem. Blöd ist, dass Autos, die in eine Garage gefahren sind, weder für die Polizei noch für die Jungs zu sehen sind. So sind auch Krankheitserreger in Zellen primär erstmal nicht für das Immunsystem zu erkennen.
 
 
Paul wollen wir zu einem Fachmann bei der Autojagd machen. Also müssen wir ihm irgendwas an die Hand geben, womit er die Autos, die er erkennen soll, erkennen kann (Eine Automarke muss ich jetzt auswählen, es gibt aber ganz viele andere, genau so gute…). Weil (das ist nur ein Beispiel, nicht die Wahrheit…) in Wolfsburg festgestellt worden ist, dass Mercedes-Fahrer immer viel zu schnell fahren, soll er auf Mercedes achten. Wir geben ihm also einen Mercedesstern in die Hand, verbunden mit dem Auftrag, auf einen speziellen Buzzer, eine Alarmglocke zu hauen, wenn er einen solchen Stern sieht. Nun hat er eine klare Aufgabe und kann viel schneller reagieren als wenn er erst überlegen muss, gehört das Auto zu Wolfsburg, was ist das denn und so weiter. Er hat ja den Stern schon mal gesehen. Und die Polizei wird über den Buzzer auch direkt informiert, dass da ein Mercedes im Ort ist und dass jetzt alle ausschwärmen und den fassen müssen. Außerdem wird, wenn festgestellt wird, dass da viel Mercedes ist, dafür gesorgt, dass nach Pauls Muster ganz schnell viele Spezialisten auf die Straße kommen, um möglichst viele Mercedes zu erkennen und unschädlich zu machen. Ziel einer Impfung ist eine solche Spezialisierung und ein schnelleres Eingreifen der Immunabwehr auf bestimmte Krankheitserreger.
 
 
Das ist auch bei der Corona-Impfung so?
 
Ja, dem Körper werden Teile des Corona-Virus angeboten. Damit entwickeln sich spezialisierte Zellen, die sich schneller „erinnern“ und dadurch eine Immunreaktion damit das Eindringen der Viren in unsere Zellen verhindern und die „Abtötung“ dieser Krankheitserreger bewirken können.

 
 
Was an dem Corona-Virus soll denn erkannt werden?
 
Kurz-Antwort: das Corona-Virus bindet mit seinen Spike-Proteinen, den kleinen Pickeln, die man auf den Darstellungen sieht, an die menschlichen Zellen. Diese Proteine, das sind Eiweiße, sind auch dafür verantwortlich, dass das Virus in die Zellen eindringen und sich dort vermehren kann. Da kann man das Virus am besten erwischen.
 
Lang-Antwort: Schon aus der ersten SARS-Pandemie aus dem Jahr 2002 wusste man über die Bedeutung der Spike-Proteine. Sie hatte man als Bindungsstelle für das Virus ausgemacht und konnte damit sehr schnell zeigen, dass auch SARS-CoV-2, der jetzige Corona-Virus über dieses Spike-Protein an die Körperzellen anbindet. Und diese Kenntnis, wonach man suchen musste, hatte positive Konsequenzen. Schon im Januar 2020 wurde der genetische Code für dieses Protein in China weltöffentlich gemacht. D.h., von diesem Zeitpunkt an wusste man, wie dieses Protein aussieht und welcher Bauplan ihm zu Grunde liegt.

 
 
Also spritzt man dieses Spike-Protein bei der Impfung?
 
Kurz Antwort: nein, bei den jetzt zur Zulassung anstehenden Impfstoffen handelt es sich um solche, die menschliche Körperzellen dazu anregen, diese ungefährlichen Spike-Proteine, die nicht vermehrungsfähig und ansteckend sind, selbst zu bilden.
 
Beispiel und Lang-Antwort: Ein Virus ist alleine nicht vermehrungsfähig. Um sich vermehren zu können muss es in eine Zelle eindringen und dort seinen eigenen „Bauplan“, die RNA, seinen genetischen Code, durch Organe in den Zellen (Ribosomen) nachbauen lassen. Diesen Bauplan trägt das Virus in seiner Hülle, so wie das trojanische Pferd die Krieger nach Troja gebracht hat. Und wenn es in die Zelle kommt, dann entlässt es seinen Bauplan, wie das Pferd die Krieger und der Bauplan wird in den Ribosomen nachgebaut. Das Virus lässt also sich selbst vervielfältigen. So wie bei Star Wars die Druiden. Die fertigen Neuviren werden dann wieder aus der Zelle ausgeschleust und infizieren die nächsten Zellen. Auf diese Weise werden es immer mehr Viren und die Infektion verbreitet sich über den gesamten Organismus – meist in besonders anfälligen Zellen und Geweben. Dabei können Zellen absterben und Gewebe kaputtgehen. Weil für eine Impfung ja aber nur ein Teil des Virus reicht, muss man das irgendwie produzieren.
 
Damit ein Virusteil produziert werden kann, muss es in Zellen gebildet werden. In den letzten Jahren sind dazu überwiegend Hühnereizellen „bebrütet“ worden, um diese Proteine bilden zu lassen. Diese mussten dann aus den Zellen extrahiert, gereinigt und aufbereitet werden, was sehr viel Zeit für eine überschaubare Menge an Impfstoff benötigt. Zudem wird ein Protein, das in Hühnerzellen gebildet wird benutzt. Das ist so, als wenn eine Bauanleitung für einen Mercedestern in eine Werkstatt gegeben wird, die suchen sich ein Material aus, das sie gerade überhaben, malen den Stern dann schwarz an, weil sie es schicker finden und bevor Paul den Stern in die Hand bekommt, muss der erst noch aus der Werkstatt geholt und von der Farbe befreit werden.
 
 
Bei den Impfungen jetzt, die mRNA-Impfstoffe sind, wird ein Teil des Virus, nämlich das Spike-Protein der Oberfläche, nur als Bauplan geliefert und in die Zellen eingebracht. Das ist so, als wenn wir Paul nicht den Mercedesstern in die Hand gäben, sondern seiner Schwester Hedda, die an einer Werkbank in der Garage (Zelle in unserem Körper) sitzt, mit einer Anweisung oder Zeichnung versorgt hätten, von der sie genau erfahren kann, was sie aus ihrer Umgebung nehmen muss und was sie damit machen muss, um einen Mercedesstern selbst zu basteln. Wenn der fertig ist, schmeißt sie ihn wieder aus der Garagenzelle und zerreißt den Bauplan. Und Paul kann sich dann spezialisieren, weil die ungefährlichen Mercedessterne auf der Straße liegen, er die erkennt, den Buzzer drückt und die Polizei sie einsammeln kann. Und alle sind darauf vorbereitet, wenn die richtigen Mercedes kommen.

 
 
Die RNA dieses Proteins wird also gespritzt?
 
Kurzantwort: Ja, aber nicht alleine. In den unterschiedlichen Impfstoffen kommen unterschiedliche Träger für die RNA zum Einsatz.
 
Lang-Antwort: In den zuerst zur Zulassung anstehenden ist die RNA eingebettet in eine Lipidhülle. Also in einer Hülle aus Fett-Molekülen. Die können mit der Fett liebenden Oberfläche der Körperzellen in Kontakt treten und die RNA in die Zelle einbringen, so dass diese dort in den Ribosomen (wie Heddas Werkbank) als Bauanleitung zur Verfügung steht. Es gibt auch die Möglichkeit, die mRNA des Spike-Proteins in eine leere Virushülle eines anderen, für Menschen nicht gefährlichen Virus zu packen, die dann diese RNA in die Zelle bringt.

 
 
Eigentlich kann hier noch nicht Schluss sein mit den Fragen und den Antworten. Soll es auch nicht. Aber für mich muss heute erstmal Pause sein.
Zu den Fragen vom Anfang, zu den wichtigen Fragen, möchte ich aber jetzt schon etwas sagen:
„Sollte MAN sich impfen lassen?“
„Soll ICH mich impfen lassen?“
„Würden SIE sich denn impfen lassen?“
Und meine Antwort? „Ja!“, „Ja!“ und nochmal „Ja!“!
Reicht nicht? Das verstehe ich! Das wäre auch ein bisschen einfach.

Es geht weiter mit dem nächsten Teil. Warum kann das so schnell gehen mit der Entwicklung des Impfstoffs, kann der wirklich untersucht sein in so kurzer Zeit? Werden wir jetzt alle zu Versuchskaninchen? Dürfen alle damit geimpft werden? Was weiß man? Was weiß man nicht? Diesen und weiteren Fragen werde ich mich in den nächsten Teilen widmen. Gibt es Fragen, die Sie interessieren, egal, ob zu dem bereits Gesagten oder zu weiterem, schreiben Sie mir!

 
 
Danke für Ihre Geduld und Ihr Durchhaltevermögen, wenn Sie bis hier gekommen sind. Bleiben Sie gesund!



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